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Überlegungen zu Dynamic Content Marketing

«Wer nicht sucht, der findet.» – Miriam Meckel, Daniel Rettig – © 2018 Kein & Aber AG
«Wer nicht sucht, der findet.» – Miriam Meckel, Daniel Rettig – © 2018 Kein & Aber AG
Es ist durchaus lohnenswert, sich mit den Themen Information und Kommunikation im Kontext des Dynamic Content Marketing auseinanderzusetzen. Denn es ergeben sich aus den Überlegungen interessante Ansätze, welche in vielen Bereichen des analogen und digitalen Dialogs anwendbar sind. Und dies, so glaube ich, völlig unabhängig von den zu kommunizierenden Themen, dem Typus der Dialogpartner oder der Branche.
Dieter Herzmann | 21. August 2020

Inhalte und Botschaften steuern 

Als Erstes versuche ich, das Geviert des Dynamic Content Marketing nach meinem Verständnis abzustecken. Wirksame Marketingaktivitäten bedingen Inhalte und Botschaften, welche sich variantenreich anwenden lassen, kürzere oder längere Halbwertszeiten haben können und sich bei den Empfängern im Bewusstsein oder Unterbewusstsein einprägen sollen. Diese Inhalte und Botschaften entspringen oft dem Ideenreichtum und der Intuition phantasievoller Menschen, deren Denk- und Handlungsgrenzen meist jenseits des üblichen Vorstellungshorizonts liegen. Einerseits soll die kontextuelle Attraktivität der Inhalte und Botschaften die Aufmerksamkeit der adressierten Personen binden (sie holen sich Informationen aktiv ab = Pull), andererseits sollen Inhalte und Botschaften auch auf Basis taktischer Überlegungen ausgesandt werden (Informationen werden zielgenau aktiv versandt = Push). In beiden Fällen ist es notwendig, Inhalte und Botschaften wertvoll, attraktiv, treffsicher, authentisch, emotional bindend, humorvoll etc. zu machen oder, ganz einfach gesagt, für den jeweiligen Zeitraum oder Augenblick relevant vorhalten zu können.

Dynamik entsteht durch die jeweilige Sichtweise oder Perspektive und die daraus resultierende Zusammensetzung von Inhalten und Botschaften.

Dieter Herzmann

Hat man neben dem Inhalts- und Botschaften-Vorratsraum auch noch ein Tool zur Steuerung parat, kommt Dynamik ins Spiel. Wie wir es aus einer angeregten Konversation gewohnt sind, ist Dynamik aber nur möglich, wenn die Dialogpartner einen «gewissen Draht zueinander» haben und Botschaften und Inhalte Bedeutung erlangen. Über Bedeutung und zugemessene Werte entsteht Bindung oder auch Ablehnung. Die erwähnte Dynamik besteht vor allem darin, dass Gehörtes oder auch Memoriertes während der Konversation permanent wiederum steuernd auf das Nächstgesagte einwirken kann. Oder anders gesagt: Dynamik entsteht durch die jeweilige Sichtweise oder Perspektive und die daraus resultierende Zusammensetzung von Inhalten und Botschaften.

Richtiger Moment und passende Inhalte

Dieses dynamische Momentum gepaart mit positiver Intention und einem Schuss überraschender Zufälligkeit ist Schlüssel für ein gutes, wohlwollendes Gefühl der Dialogpartner. Es stellt sich ansteckende Resonanz ein. Wir kennen diese Situationen aus unserem Alltag nur zu gut: Die Serviertochter trifft beim zweiten Restaurantbesuch mit ihrer Weinempfehlung genau unseren Geschmack. In der Buchhandlung wird uns ein Buch zu unserer thematischen Vorliebe empfohlen. Die Hotel-Chefin begrüsst uns beim nächsten Aufenthalt mit einer handgeschriebenen persönlichen Karte und unserer Lieblingsschokolade usw. All diesen Situationen ist gemeinsam, dass man den richtigen Moment mit den dazu passenden Botschaften, Inhalten und Handlungen auf der Basis von entsprechendem Vorwissen getroffen hat. Wie wir so schön sagen, «den Umständen entsprechend», positiv gemeint. Diese analogen Beispiele in die digitale Welt zu übertragen ist nicht so einfach und bedarf einer gehörigen Portion Erfahrung, fachlichen Wissens, ideenreicher Überlegungen, passender Tools und in der Ausführung grossem Fingerspitzengefühl.

Aber wie steht es nun mit dieser ominösen Passgenauigkeit von Botschaften, Inhalten und Handlungen? Nennen wir sie mal vereinfacht Informationen. Die zweite wesentliche Überlegung erörtert die Frage, welches denn die «den Umständen entsprechende» optimale Informationseinheit ist, wie sich diverse Informationseinheiten zusammensetzen und wie diese zueinander in Verbindung gebracht oder gar verknüpft werden können.

Granularität und Metadaten

Stellen wir dazu mal eine Geschichte, eine Story, einen Artikel ins Zentrum der Überlegung. Der Startpunkt ist meist Imagination, dann Inspiration und weitere Verdichtungsschritte vergleichbar mit Aggregatszuständen und deren Übergängen (gasförmig, flüssig, fest, kondensieren, erstarren oder gar sublimieren). Konkret werden Trends beurteilt, Bild-, Text-, Audio-, Videomaterial, Links etc. gesammelt, thematisiert, sortiert, bezeichnet, charakterisiert, in Aufgaben verpackt, produziert, eingeplant, abgestimmt, freigegeben usw. Hier ergeben sich entscheidende Fragestellungen: Aus welchen Einzelteilen soll der Artikel/die Story bestehen, wie umfangreich sollen die einzelnen Fragmente sein (Granularität), sollen sie dynamisch oder statisch, mit Rollen, Rechten und Status versehen sein, sollen sie ein Ablaufdatum haben, wie sollen sie gestaltet und angeordnet werden, von welchen Möglichkeiten der Publikationsformate, Ausgabekanäle und Gerätschaften sollen sie Gebrauch machen, in welcher Beziehung sollen sie als Fragmente oder ganzer Artikel/Story zu anderen Fragmenten oder/und Artikeln/Stories stehen und wie sollen sie auf Einflussgrössen reagieren? Eine ziemlich komplexe Fragestellung, wobei hierbei den Metadaten (auch Keywords, Charaktereigenschaften oder Profile genannt) der einzelnen Fragmente resp. des Artikels/der Story absolut zentrale Bedeutung beizumessen ist. Metadaten können durch Menschen oder Maschinen/Sensoren definiert oder vergeben werden. Passende Stichworte hierzu sind Internet of Things (IoT), Deep Learning, Artificial Intelligence (AI) und Augmented Reality/Virtual Reality/ Merged Reality (AR/VR/MR). Metadaten sind die Kupplungselemente für die oben erwähnte Steuerungsebene und damit zentral für dynamisches Publizieren oder Dynamic Content Marketing.

Es liegt auf der Hand, dass die beschriebene Komplexität nach Denken und Handeln ausserhalb ausgetretener Pfade, ja vielleicht nach «Umparken im Kopf» schreit. Und es ist ebenfalls erkennbar, dass dies ohne entsprechende IT-Lösungen kaum machbar ist. Hier setzt meine dritte Überlegung an: Wie verknüpfe ich nun die produzierten und mit allen erdenklichen Metadaten versehenen Botschaften und Inhalte mit den dazu passenden Informationsempfängern? Oder aus anderer Perspektive nicht als Frage formuliert: Jeden einzelnen Informationsempfänger möchte ich mit den individuell relevanten Informationen, zum optimalen Zeitpunkt, im richtigen Kontext und über die bevorzugten Kanäle bedienen. Und dies automatisiert und unter Verwendung aller zum Kommunikationszeitpunkt verfügbaren systeminternen und -externen Parameter.

Serendipity, nicht gesucht, trotzdem gefunden

Diese Anforderung lässt sich nur erfüllen, wenn ich die einzelnen Informationsempfänger ebenso genau kenne und mit Metadaten (Profilen) versehen kann wie meine zu kommunizierenden Informationen. Die kommunikative Relation Mensch-Information/Information-Mensch wird demnach über Metadaten (Keywords, Charaktereigenschaften, Profile) und mit Hilfe einer Maschinerie zur Steuerung (Kampagne, Workflow) hergestellt. Pikant an der Sache ist: Technisch lässt sich eruieren, welchen Aufmerksamkeitsgrad die ausgesendeten Informationen bei den Empfängern hervorrufen. Diese Daten können unmittelbar wieder an die Steuerungsmaschinerie zurückfliessen und direkt für die Justierung der Kommunikationsinhalte, der Intervalle, der Formate und Kanäle oder z. B. auch für das Auslösen von Call-to-Actions herangezogen werden. So entsteht ein Regelkreis, dessen Dynamik es in sich hat. Nicht zuletzt deshalb, weil jederzeit Datenschutzverordnungen einzuhalten sind, redliches Handeln immerzu angezeigt ist und man sich Zeit lassen muss, um Wesentliches zu erkennen.

Serendipity – interessante Dinge finden, die man gar nicht gesucht hat.

Dynamic Content Marketing macht dann am meisten Spass, wenn Ideen, deren Umsetzung sowie die Produktions- und die Kommunikationsprozesse verschmelzen und wenn den beschriebenen Vorgehensweisen und Prozessen überraschende und humorvolle Momente beigemischt werden. Dann kommt es zu freudvoll inspirierenden Momenten, wie es Peter Glaser 2017 in der NZZ formuliert hat: «Es gibt im Netz eine neue Qualität von beiläufigem Informationszufluss, für die es erst im Englischen ein Wort gibt: Serendipity – interessante Dinge zu finden, die man gar nicht gesucht hat. (…) Zu einer Bestandsbibliothek gehörte immer schon diese Mischung aus Flanieren, Blättern und Probieren, dieses Eintauchen in kleine Zufälligkeiten, die ein ganzes Leben verändern können.»